Florian aus München
Florian ist 40 Jahre alt, der jüngere von zwei Brüdern, und lebt mit seiner 76-jährigen Mutter in München. Florian hat seit seinem 9. Lebensjahr Epilepsie – möglicherweise als Folge einer Meningitis / Enzephalitis, die zu spät erkannt wurde. Seine Mutter Elisabeth erinnert sich: 2 Wochen vor dem ersten epileptischen Anfall hatte er einen steifen Hals und war dann ein paar Tage in der Klinik Harlaching, dort wurde er damals nur massiert – dann hat man irgendwann festgestellt dass der steife Hals der Anfang von einer Meningitis und später Enzephalitis war und möglicherweise die Epilepsie auslöste.
„Eines Tages fand ich Florian im März 1990 zappelnd im Hochbett. Er schlief mit seinem Bruder Manuel im gleichen Zimmer – Florian oben, der älter unten. Da damals Faschingszeit war, dachte ich zuerst, er macht einen Spaß mit mir, aber dann stellte ich fest, dass er nicht aufhören kann und rief den Hausarzt. Da war Florian 9 Jahre alt. Das ganze Bett war nass, er war aber kein Bettnässer. Dann wurde der Notarzt gerufen und Florian wurde ins Dr. von Haunersche Kinderkrankenhaus in München gebracht.“ Die Ärzte diagnostizierten Epilepsie, behielten Florian 2 Wochen im Krankenhaus, verordneten Medikamente und waren zuversichtlich, dass man dadurch die Epilepsie in den Griff bekommt und Florian anfallsfrei wird. Das hat die Familie damals beruhigt.
In der Schule waren alle sehr unterstützend und hilfsbereit. Beim Schuldirektor im Büro lag eine Matte für den Fall, dass Florian einen Anfall während der Schulzeit erlitt. Und als er dann zur Erstkommunion ging, wurde in die Kirche auch eine Matte gelegt, für den Fall eines spontanen Anfalles. Florian hatte jedoch trotz der Medikamente regelmäßig Anfälle, etwa ein Anfall pro Woche, und auch dann, wenn es ihm gut ging – sowohl tagsüber als auch nachts. Fünf Jahre nach dem ersten Anfall kam Florian für ein paar Monate ins Krankenhaus Mara/Bethel in Bielefeld zur Behandlung. Eine Operation wurde ausgeschlossen, weil man nicht alle betroffenen Areale hätte operieren konnte. Florian war also dauerhaft auf Medikamente und umfangreiche Betreuung angewiesen und wurde nie anfallsfrei. Bis zur vierten Klasse hat er am allgemeinen Schulunterricht teilgenommen, dann ging er auf eine Privatschule, in der man sich besser um seinen besonderen Förderbedürfnisse kümmern konnte.
Florians Vater, der vor ein paar Jahren gestorben ist, führte in München eine Rechtsanwaltskanzlei und seine Mutter arbeitete ebenfalls dort. In den Jahren bis zur Jugend entwickelte Florian verschiedene Ängste und wurde von seiner gesamten Familie immer liebevoll begleitet. Als er für einen längeren Aufenthalt für weitere Untersuchungen in Bethel war, kam ihn seine Mutter jedes Wochenende besuchen. Mit den Folgeerscheinungen der Erkrankung und den dazugehörigen Risiken wie dem SUDEP machte sich Frau Lindner im Laufe der Jahre immer besser vertraut. Sie weiß genau, wie sie ihren Sohne drehen und lagern muss, um weitere Komplikationen bei einem Krampfanfall möglichst zu vermeiden. Seit kurzem hat Familie Lindner auch die NightWatch mit GSM-Modul und derzeit arbeiten sie mit Betreuern daran, dass Florian in eine gute Betreuungseinrichtung kommt. Florian ist seit Jahren bei Dr. Stephan Arnold, MVZ Nymphenburg in München, in Behandlung und sie fühlen sich dort hervorragend betreut.
Florian privat
Florian ist ein sehr zuversichtlicher, herzlicher und empathischer Mann. Er kommt mit seiner Erkrankung gut zurecht und die Epilepsie nervt ihn auch manchmal, weil er nicht so kann, wie er möchte und z.B. nicht einfach alleine ausgehen oder wegfahren kann. Die Erkrankung macht ihn abhängig von der Betreuung durch andere – und trotzdem ist Florian über all die Jahre zuversichtlich und interessiert an vielen Dingen geblieben. Er hilft seiner Mutter gerne bei allen Haushaltsarbeiten, er hilft gerne bei den Vorbereitungen zum Kochen und in der Küche. Wenn es seiner Mutter mal nicht gut geht, dann ist er total rührend und legt den Arm um sie oder sagt motivierend „Komm, Mama, ich fahr mit dir im Auto, dann brauchst du nicht alleine fahren“.
„Florian braucht ständige Betreuung. Er sitzt zwar nicht im Rollstuhl, er kann auch ein Stück alleine gehen, aber der Rollstuhl muss immer dabei sein, auch wenn wir in die Heilige Messe geht. Er geht gerne in die Kirche, und wenn es geht jeden Sonntag. Unsere Hauskirche ist die Barockkirche St. Maria Thalkirchen – sie ist unsere schöne Wallfahrtskirche. Den Pfarrer kennt Florian persönlich und der Pfarrer redet ihm immer aufmunternd zu, er hat ihn auch nach seinem Suizidversuch in der Reha besucht. Florian ist sehr religiös, er spricht abends Bitten für die Tiere und auch für seinen Bruder auch und dass seine Mutter noch lange lebt. Manchmal höre ich ihn beten, das ist immer sehr schön.“
Die Zeitschrift „Europäische Sicherheit und Technik“ – das ist Florians Lieblingszeitschrift. Er schaut gerne alle Arten von Nachrichten – „das fängt mit Vox an und hört mit der Tagesschau auf. Politisch ist er sehr interessiert“. Wir gehen gerne essen – entweder Kroatisch ins „Opatja“ in Thal oder zum Griechen. Manch mal spendet Florian auch etwas Geld für Tiere aus, z.B. „damit die Bären nicht so tanzen müssen in Rumänien“. Seine Mutter liebt ihn sehr. Und Florian liebt seine Familie sehr. Seine Oma ist 2019 mit 102 Jahren gestorben und er hat sie regelmäßig besucht bis zum Ende.
Wir wünschen der Familie Lindner weiterhin viel Kraft und alles Gute!
Das Interview führte Birgit E. Langen/NightWatch / Dezember 2021