Mein Name ist Asmund Tielens und ich bin der Gründer und CTO von LivAssured (Hersteller von NightWatch). Meine Frau und ich haben drei Kinder, eine Tochter und zwei Söhne. Im folgenden Blog erzähle ich Ihnen meine Sichtweise auf SUDEP (Sudden Unexpected Death in Epilepsy).

Bei der Evaluierung von Risiken geht es um Dinge wie „wie schlimm ist es“ und „wie viel Aufwand ist es, etwas dagegen zu tun“. Das klingt einfacher als es ist, vor allem für Menschen, die nicht an Risikomanagement gewöhnt sind. Den emotionalen Aspekt gibt es nämlich auch noch. Ganz schreckliche Vorfälle scheinen häufiger vorzukommen als weniger schreckliche. Denken Sie dabei zum Beispiel an Flugangst. Fliegen ist bei weitem die sicherste Art zu reisen, aber ein Sturz aus vielen Kilometern Höhe löst rege Schreckensszenarien in der Fantasie aus! In diesem Blog werden wir versuchen, das Risiko von SUDEP zu bewerten, damit jeder eine faire Chance hat, seine eigene Entscheidung zu treffen.

Was ist SUDEP? Es wird auf der Website der SEIN (Stichting Epilepsie Instellingen Nederland) erklärt. Im nachfolgenden Video wird SUDEP auf Englisch beschrieben.

Geben wir selbst Ratschläge zum Thema? Ja und nein. Wir versuchen, auf wissenschaftlich fundierte Ratschläge zu verweisen, aber wir sind sehr vorsichtig bei der persönlichen Beratung. Bei Letzterem ist schließlich u.a. die Wahrnehmung jedes Einzelnen in Bezug auf seine oder ihre Einschätzung der „Lebensqualität“ ausschlaggebend. Und zwar auch bei der Frage, um wessen Lebensqualität es geht: der eines Elternteils oder des Kindes? Ich weiß, dass ich bei der Beerdigung meines Vaters erzählte, dass mein Bruder und ich es geliebt haben, dass er uns mit unseren Mopeds und – als wir 18 Jahre alt waren – gleich mit den schweren Motorrädern geholfen hat. Ich habe viele aufregende Abenteuer erlebt und zum Glück auch überlebt. Und selbst wenn, hätte ich dann natürlich nicht darüber geklagt. Später habe ich aber alles daran gesetzt, meine Kinder vom Motorradfahren abzuhalten. Ich weiß, dass ein Motorrad pro gefahrenem Kilometer 20 mal so gefährlich ist wie ein Auto. Und jetzt würde ich schon „klagen“, wenn etwas passieren sollte. (Anmerkung: Für jemanden mit bestimmten epileptischen Anfällen ist die Wahrscheinlichkeit auf SUDEP, 100-mal größer als die eines durchschnittlichen Niederländers bei einem Verkehrsunfall zu sterben, s.u.).

Asmund mit Tochter und Sohn

Die Gefahr der Beratung auf der Grundlage des so genannten „gesunden Menschenverstands“ besteht darin, dass sie sich als wissenschaftlich falsch erweist. Angesichts meiner derzeitigen Kenntnisse über SUDEP denke ich zum Beispiel, dass ich weiß, was ich bei meinem eigenen Kind machen würde. Aber ich würde mich wahrscheinlich nicht trauen, diesen Rat in einem Blog zu veröffentlichen, der von vielen gelesen wird. Der Schaden könnte immerhin enorm sein, wenn sich der Rat als falsch erwiese und falls der Blog von vielen gelesen wird. Ein berühmt-berüchtigtes Beispiel ist der unglückselige Rat von Dr. Spock im Zusammenhang mit etwas Ähnlichem, nämlich dem plötzlichen Kindstod. Auf Wikipedia kann man nachlesen, dass dieser berühmte Kinderarzt 50 Millionen Exemplare seines Buches „The Common Sense Book of Baby and Child Care“ verkaufte. Leider empfahl er, dass man Babys am besten auf den Bauch oder auf die Seite schlafen legen sollte, damit sie im Falle von Erbrechen nicht daran ersticken können. Auf der gleichen Wikipedia-Seite kann man nachlesen, dass dieser Rat schätzungsweise 60.000 Säuglingen das Leben gekostet hat und somit mehr Lebensjahre zerstört hat, als die Atombombe! Andererseits gab es auch viele Mitschuldige, denn dieser unglückselige Rat wurde bereits 1946 ausgesprochen. Nach jahrzehntelangen wissenschaftlichen Artikeln zum Thema wurde erst im Jahre 2004 der allgemeine Rat erteilt, Babys zum Schlafen auf den Rücken zu legen, damit der plötzliche Kindstod ein zu vernachlässigendes Risiko sei. Der falsche Rat wurde also 60 Jahre lang weitergegeben! Im Falle von SUDEP gibt es eine ähnliche Feststellung, auf die wir später zurückkommen werden, denn SUDEP-Opfer liegen fast immer auf dem Bauch.

Menschen mit ständigen epileptischen Anfällen sind häufiger mehr gefährdet (infolge eines Anfalls) zu sterben als solche, die keine Anfälle haben. Nachts besteht die Gefahr, dass jemand unerwartet infolge eines Anfalls stirbt (Sudden Unexpected Death in Epilepsy, SUDEP). In den wenigen Fällen, in denen eine nähere Untersuchung möglich war, schienen die Personen nach einem tonisch-klonischen Anfall gestorben zu sein, wobei diejenigen innerhalb einer Viertelstunde langsam wegsackten (Epilepsie, 2. Juni 2015, Brian J. Dlouhy u.a.). Für diese Buchrecherche wurde weltweit nach Menschen gesucht, die SUDEP zum Opfer gefallen waren, während sie an einem Überwachungsgerät angeschlossen waren und denen dennoch nicht geholfen werden konnte. Zum Glück (allerdings nicht für die Statistik) waren es nur neun Personen. Alle neun starben innerhalb von 1.000 Sekunden nach einem tonisch-klonischen Anfall. Davor war ihre Atmung (Apnoe) geschwächt und mehr oder weniger gleichzeitig auch Herzschlag (Bradykardie). Diese Opfer hatten auch auf ihrem Bauch gelegen.

Kann man etwas unternehmen, um SUDEP zu verhindern? Und wie große ist das SUDEP-Risiko? In einer aktuellen Publikation (Neurology, 16. Oktober 2018 von Marije van der Lende u.a.) wurden SUDEP-Fälle bei Bewohnern in Epilepsieeinrichtungen untersucht. Das durchschnittliche SUDEP-Risiko betrug 3,5 pro 1.000 Jahre (Zum Vergleich: Das ist 100-mal höher als das durchschnittliche Risiko, an einem Verkehrsunfall in den Niederlanden zu sterben).

Personen mit SUDEP-Erfahrungen in Großbritannien ⤵

Gibt es etwas, was wir dagegen tun können? Ja, denn eine wichtige Schlussfolgerung war, dass es bei Vorhandensein einer guten Überwachung dreimal weniger häufig zu SUDEP kam im Vergleich zu Situationen, in denen der Anfall des Patienten unbemerkt blieb. In dem Artikel wurde nicht untersucht, welche Art der Nachsorge zu einer wesentlichen Verbesserung führte. Es wurde nur ein Zusammenhang hergeleitet zwischen einem geringen SUDEP-Risiko und der Wahrscheinlichkeit des Bemerkens des Anfalls durch eine andere Person. Und in dem Artikel wurde deutlich konstatiert, dass infolge von SUDEP verstorbene Personen fast immer in der Bauchlage aufgefunden worden sind (obwohl die Bauchlage überhaupt nicht als typische Haltung nach einem epileptischen Anfall gilt).

Eine ältere Studie kam zu einer ähnlichen Schlussfolgerung in Bezug auf den Effekt der Betreuung von Patienten mit ständigen epileptischen Anfällen. Die Schlussfolgerung war, dass das SUDEP-Risiko wesentlich geringer sei, wenn eine zweite Person (mindestens 10 Jahre alt und ohne geistige Behinderung) im selben Raum schlief (Anmerkung: auch hier wurde die Art der Betreuung durch diese Person nicht untersucht).

Es ist deutlich, dass weitaus mehr Studien erforderlich sind, um wirklich nachvollziehen zu können, welche Mechanismen hinter SUDEP stecken. Andererseits hat man in den wissenschaftlichen Studien der letzten Jahre viel Klarheit bezüglich der Fakten schaffen können, die uns im Groben und Ganzen dabei helfen, unsere ganz persönlichen Entscheidungen zu treffen.

Lasst uns so viel wie möglich Wissenswertes teilen! Auch Dinge, die schon vor Längerem entdeckt wurden und vielleicht wieder in Vergessenheit geraten sind. Die Geschichte von Dr. Spock soll uns immer daran erinnern, den Stand von Wissenschaft und Praxis immer auch kritisch zu hinterfragen.

Asmund Tielens – CTO LivAssured